Shell – Von einer Muschelschale zur Weltmarke. London im Jahr 1833. Marcus Samuel Senior betreibt einen kleinen Laden für Antiquitäten und exotische Waren. Zwischen all den Schätzen aus Übersee sticht etwas besonders ins Auge: Muscheln aus Fernost. Sie sind zu dieser Zeit ein echter Trend in der Inneneinrichtung. Aus dieser Mode wird ein Geschäft, und aus dem Geschäft entsteht ein Name, der bis heute die Energiebranche prägt: Shell.

Die Geburt einer Marke
Als Marcus Senior 1870 stirbt, übernehmen seine Söhne Marcus Junior und Sam das Geschäft. Sie denken nicht klein, sondern haben größere Pläne. Statt nur Muscheln zu importieren, wagen sie sich an Öl, das damals vor allem als Lampenbrennstoff und Schmiermittel gefragt ist.
Doch der Transport ist mühsam, und Öl in Fässern ist teuer. Außerdem sind undichte Fässer riskant und verschwenderisch. Die Brüder beschließen deshalb, eigene Schiffe zu bauen, die speziell für Öl ausgelegt sind. 1892 geht die „Murex“ in Dienst, der erste Tanker, der jemals den Suezkanal passiert. Damit revolutionieren sie den Öltransport.
1897 gründen sie die Shell Transport and Trading Company. Das Logo zeigt eine Miesmuschel, noch schlicht, aber unverkennbar.
Fusion und Aufstieg
Um gegen den Giganten Standard Oil bestehen zu können, suchen die Samuels starke Partner. Diese finden sie in der niederländischen Royal Dutch Petroleum. 1907 fusionieren beide Unternehmen zur Royal Dutch Shell Group. Das Logo wird zur Kammmuschel, die bis heute als Markenzeichen erkennbar ist.
In den folgenden Jahren wächst Shell rasant. Raffinerien entstehen in Borneo und an anderen Standorten, und Tankstellennetze breiten sich aus. Die Flotte wird größer, und Shell entwickelt sich vom Händler zum globalen Produzenten, Versorger und Innovator.
Krisen, Kriege und Kontroversen
Die Weltkriege prägen auch Shell. Im Ersten Weltkrieg ist Shell Treibstofflieferant der britischen Armee und stellt der Admiralität seine Tankerflotte zur Verfügung. Im Zweiten Weltkrieg liefern Shell-Raffinerien Flugbenzin für die alliierten Luftstreitkräfte.
Nach dem Krieg folgt der nächste Aufschwung. Die Motorisierung nimmt Fahrt auf, und Shell expandiert weiter in Afrika, Südamerika und Asien. 1958 beginnt die Förderung in Nigeria.
Doch die 1970er bringen die Ölkrise. Politische Spannungen, steigende Preise und Boykotte stellen das Unternehmen vor neue Herausforderungen. Shell reagiert mit Innovation, zum Beispiel mit Offshore-Bohrungen in der Nordsee, dem Bau von Supertankern und Investitionen in neue Technologien.
Die 1990er bringen eine neue Art von Gegenwind. Die Brent Spar-Plattform sorgt für internationale Proteste, ebenso wie die Rolle Shells in Nigeria. Das Unternehmen steht zunehmend unter öffentlicher Beobachtung und beginnt, seine Strategien anzupassen.
Innovation und Gigaprojekte
Trotz Kritik bleibt Shell ein Motor für technologische Entwicklungen. Die 2000er Jahre stehen im Zeichen von Rekordprojekten.
- Prelude – die größte schwimmende LNG-Anlage der Welt.
- Pearl GTL in Katar – die weltweit größte Gas-to-Liquids-Anlage.
- Tiefseeprojekte im Golf von Mexiko und vor Westaustralien.
Shell strukturiert sich neu, verschlankt Prozesse und investiert verstärkt in neue Energien. 2016 entsteht der Geschäftsbereich „New Energies“, der Windkraft, Solarprojekte, Wasserstoff und Biokraftstoffe bündelt.
Shell heute
Heute ist Shell in über 70 Ländern aktiv. Die Schwerpunkte liegen in Öl, Gas, Chemie, LNG und erneuerbaren Energien. Das Ziel ist, den steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig den CO₂-Ausstoß deutlich zu senken.
Die Muschel ist geblieben, ein Symbol für Herkunft und Wandel zugleich. Vom kleinen Laden in London bis zu Megaprojekten in Australien und Brasilien zeigt Shell, dass sich Geschichte und Zukunft oft im selben Zeichen treffen können.
Fazit
Fast 200 Jahre nach dem Verkauf der ersten Muscheln ist Shell mehr als nur ein Öl- und Gasunternehmen. Es ist ein Stück Industriegeschichte. Die Muschel hat viele Stürme überstanden und wird wohl noch in vielen Kapiteln der Energiewende auftauchen.
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