Raffinierte Öle & Kreislaufwirtschaft

Na gut, Altöl klingt erst mal nach grauschwarzer Pampe, die man möglichst weit weg von Haus, Hof und Grundwasser halten möchte. Trotzdem, oder gerade deswegen, kann genau dieses Zeug ein Baustein für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft sein.
Denn statt Öle zu verbrennen, lässt sich Altöl so aufbereiten, dass daraus wieder nützliche Produkte entstehen. Und zwar auf zwei Wegen, die technisch verwandt sind, aber unterschiedlich weit gehen: Wiederaufbereitung und chemisches Recycling.


Kreislaufwirtschaft: Zwei Wege, ein Ziel

1) Wiederaufbereitung (Re-Refining)
Hier wird die Einsatzzeit der Öle verlängert. Das Ziel ist, die Flüssigkeit so zu reinigen, dass sie noch eine weitere Lebensrunde drehen kann und dabei eben nicht als Schadstoff in der Umwelt endet. Kurz: Schadstoffe raus, brauchbare Bestandteile retten.

2) Chemisches Recycling
Hier wird tiefer geschnitten. Die Kohlenwasserstoffe des Altöls (oder auch von Kunststoffen) werden in kleinere Bausteine zerlegt. Diese Öle dienen dann als Basisöle oder als chemische Ausgangsstoffe für neue Produkte. Aus altem Schmierstoff wird so, je nach Prozessführung, alles Mögliche: von Naphtha über Dieselschnitte bis hin zu Monomeren.

Beide Ansätze starten allerdings identisch: Verunreinigungen müssen weg, Schmutz, Feinstpartikel, Metallabrieb. Erst wenn die groben Störenfriede raus sind, lohnt sich der Feinschliff.


Kreislaufwirtschaft: Was in der Raffinerie funktioniert, funktioniert auch hier

Die Ölindustrie kennt die Tricks: trennen, abziehen, destillieren. Also werden bei der Altölbehandlung ähnliche Verfahren genutzt wie bei Rohöl:

  • Zentrifugieren & Destillieren, um Fraktionen zu separieren,
  • Säurebehandlungen, die Fette und schleimige Komponenten „einpacken“,
  • anschließend Sedimentation, Filtration und Dekantierung, um die gebundenen Störstoffe, Sedimente und Metalle aus der Masse zu holen.

So entstehen Streams, die wieder verwendbar sind und solche, die es nicht mehr sind. Erstere bleiben im Spiel, letztere gehen raus.


Re-Refining vs. EALs: Wo die Linie gezogen wird

Klingt nach Umweltengel? Kommt darauf an, worüber wir sprechen. Raffinierte Grundöle reduzieren ganz eindeutig die Menge an Altöl, die in die Umwelt geraten könnte. Trotzdem gelten diese Öle nicht als umweltverträgliche Schmierstoffe (EALs), weil die Einstufung dafür streng geregelt ist. Die jeweiligen Anforderungen, in der Schifffahrt etwa über gesetzliche Vorgaben wie VIDA (früher VGP), verknüpfen die EAL-Eignung explizit mit bestimmten Grundöltypen: etwa Triglyceride, synthetische Ester, Polyalkylenglykole (PAGs) sowie PAO und verwandte Kohlenwasserstoffe.

Und warum reicht „re-refined“ dafür oft nicht?
Weil Altöle oxidiert sind und neben Metallen (z. B. Zink, Antimon) häufig auch Biozide oder andere toxische Rückstände enthalten. Selbst nach der Aufbereitung müssen Additive neu dosiert werden, da nicht alles rückstandsfrei verschwindet. Ergebnis: Aufbereitete Mineralöle taugen hervorragend für Standardschmierstoffe auf Mineralölbasis aber nicht für die EAL-Kategorie.


Kreislaufwirtschaft: Qualität rein, Volumen raus: Warum Sammeln so wichtig ist

Allein in Nordamerika werden pro Jahr rund 200 Millionen Gallonen gebrauchtes Motoröl eingesammelt. Dabei gilt eine simple Regel: Je besser das eingesammelte Altöl, desto besser das Endprodukt. Weil sich die Anforderungen der Erstausrüster (OEM) stetig erhöht haben, beginnen moderne Motoröle heute standardmäßig schon bei Gruppe II und reichen bis Gruppe III und PAO, das Ausgangsniveau für die Wiederaufbereitung ist also gestiegen. Große Recycler fokussieren deshalb auf dicke Kohlenwasserstoffströme mit hoher Rückgewinnungsquote, um in der petrochemischen Wertschöpfungskette planbare Qualität und relevantes Volumen zu liefern.


Chemisches Recycling: Wenn Öl wieder Molekülbaukasten wird

Während Re-Refining die Moleküle weitgehend so lässt, wie sie sind, setzt das chemische Recycling sie neu zusammen. Ein besonders spannender Ansatz: die kontinuierliche mikrowellenunterstützte Pyrolyse (CMAP).

So läuft’s ab:

  • Plastik (von Folie bis Starre, bevorzugt Polyolefine mit Harzcodes 2, 4, 5, 6) kommt in eine sauerstofffreie Reaktionsumgebung.
  • Mikrowellenenergie erhitzt das Material, die Moleküle verdampfen und spalten sich auf.
  • Die Dämpfe kondensieren zu flüssigen Kohlenwasserstoffen, nutzbar als Diesel-/Benzinschnitte oder als chemische Rohstoffe wie Naphtha.

Die typische Ausbeute liegt, je nach Input und Zielprodukt, bei etwa 600–900 ml verwertbarer Flüssigkeit pro Kilogramm Kunststoffabfall. Zusätzlich entstehen leichte Gase (z. B. Methan, Butan, Pentan) als Energiequelle sowie eine kleine Menge Kohlenstoff/„Char“, die je nach Prozessführung verwertbar ist.

Flexibilität inklusive:
Reaktoren lassen sich so fahren, dass Paraffine, Olefine, Aromaten oder Monomere im gewünschten Verhältnis herauskommen. Für Kraftstoff-Rückgewinnung taugen gemischte Polyolefin-Ströme; für chemische Feedstocks fährt man lieber sortenreine Streams (z. B. Styrolketten für Monomere, Polypropylen/Polyethylen für Naphtha).

Skalierung? Geht.
In Materialrückgewinnungsanlagen (MRFs) fallen täglich Dutzende bis Hunderte Tonnen nicht recycelbarer Kunststoffe an. Stationäre CMAP-Einheiten neben MRFs können diesen Abfall zu Rohstoffen umwidmen, statt ihn zu deponieren. In Kooperation mit Müllverbrennung/Sortierung sind 5.000–7.500 Gallonen recycelter chemischer Rohstoffe und niedriger-kohlenintensiver Kraftstoffe pro Tag realistisch, je nach Anlagengröße und Feedstock.


Umweltwirkung: Kein Heiligenschein, aber handfest weniger Schaden

Natürlich ist das Leben von Grundölen komplex: Jeder zusätzliche Prozessschritt, jede Qualitätsanforderung, jede Additivierung macht die Ökobilanz-Feinrechnung schwieriger. Dennoch gilt:

  • Wiederaufbereitung reduziert die Mengen Altöl, die irgendwo landen, wo sie nicht hingehören.
  • Chemisches Recycling schafft Sekundärrohstoffe und entzieht Kunststoffe dem Deponieschicksal, Gewässer und Böden danken es.
  • Integrierte, „grünere“ Raffinerieprozesse können die Abhängigkeit von frischen Erdöl-Reserven abmildern und damit Klimarisiken zumindest dämpfen.

Am Ende ist es kein romantischer Kreislauf, sondern ein technisches Kreislauf-Management: smarter einsammeln, sauberer trennen, gezielter veredeln und dadurch Abfallströme in Wertströme verwandeln. Nicht perfekt, aber besser. Und zwar deutlich.


Kreislaufwirtschaft Kurzfazit, für Schrauber, Entscheider & Skeptiker

  • Wiederaufbereitung: verlängert die Nutzbarkeit von Altöl, senkt Umweltrisiken, liefert solide Basisöle, aber nicht automatisch EAL-konform.
  • Chemisches Recycling: zerlegt bis auf Molekülebene und baut daraus Fuel-Cuts und Chemie-Feedstocks, skalierbar und feedstock-flexibel.
  • Qualität rein, Qualität raus: Sammelqualität und Prozessführung entscheiden über das, was hinten rauskommt.
  • Klimaseitig: kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Hebel, um Primäröl zu ersetzen und Müllströme zu reduzieren.

Altöle bleiben also kein Problemfall, wenn man diese Öle richtig behandelt.
Altöl wird, im besten Sinn, Rohstoff auf Zeit. Genau darum geht’s in einer echten Kreislaufwirtschaft.

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