Was Werkstätten nehmen, was drinsteckt und warum’s jede Saison teurer wird:
Man kennt das: Auto macht „ping“, Werkstatt sagt „bring’“, Kunde fragt „wie viel“ und die Antwort beginnt immer öfter mit einer Zwei vorne.
Weil: 2024 lagen die Kosten für eine Reparaturstunde in deutschen Markenbetrieben im Schnitt bei 202 € für Mechanik/Elektrik/Karosserie, Lack sogar bei 220 € – jeweils rund +8 % zum Vorjahr.
Seit 2017 sind die Stundensätze damit um ca. 50 % gestiegen, während die allgemeinen Verbraucherpreise „nur“ um 24 % kletterten. Parallel meldeten Kfz-Versicherer rund 5 Mrd. € versicherungstechnische Verluste (2023–2024), denn ein durchschnittlicher Haftpflichtschaden liegt inzwischen bei ca. 4.250 € – +7 % YoY und +60 % seit 2017.
Klingt nach „Die Werkstätten baden im Geld“, oder?
Jein, denn hinter jeder Stunde stecken nicht nur Löhne, sondern auch Diagnosehardware, Softwarelizenzen, Herstellerportale, Schulungen (Hallo Hochvolt, moin ADAS-Kalibrierung), Energie, Miete, Haftung, Gewährleistung und ja, ein bisschen Marge, damit die Hebebühne morgen noch hochfährt.

Wer nimmt was? Kosten für eine Reparaturstunde, Europa-Check
Damit wir ein Gefühl bekommen, ordnen wir zuerst die Bandbreiten. Stadt, Marke, Jobart und Land treiben die Spreizung.
- Deutschland
Freie Werkstatt: 90–120 € | Vertrags/OEM: 180–220 € (in Metropolen oft darüber).
Lack liegt regelmäßig darüber (≈ 220 €). - Österreich
Frei: 80–110 € | OEM: 190–215 € (Wien, E-Kompetenz lässt grüßen). - Schweiz
Frei: 110–140 € | OEM: 200–260 € (Spitze teils noch höher). - Frankreich
Frei: 70–110 € | OEM: 180–230 €. - Italien
Frei: 60–90 € | OEM: 120–160 €. - Spanien
Frei: 50–70 € | OEM: 100–140 €. - Benelux
Frei: 75–110 € | OEM: 180–210 €. - Skandinavien
Frei: 100–130 € | OEM: 200–260 € (Topwerte Europas zusammen mit CH). - Osteuropa (PL/CZ)
Frei: 35–60 € | OEM: 70–95 € (Hauptstädte höher).
Und innerhalb der Markenbetriebe reichen die höchsten Sätze bis 260–320 €, vor allem bei Exklusivmarken oder E-/ADAS-Diagnose.
„Aber mein Schrauber verdient doch keine 200 € die Stunde?!“
Tut er auch nicht. In der Regel macht der interne Bruttolohn nur 10–20 % des verrechneten Satzes aus:
- Kfz-Mechatroniker intern grob 15–27 €/Std. brutto,
- Meister/Diagnose intern etwa 25–35 €/Std. brutto.
Der Rest? Fixkosten, Software, Geräte, Miete, Energie, Verwaltung, Schulungen, Gewährleistung, Versicherung und die Unternehmensmarge, damit investiert und überlebt werden kann. Das erklärt auch, weshalb freie Betriebe günstiger kalkulieren können, obwohl sie handwerklich top sind: weniger Herstellerbindung, andere Gemeinkostenstruktur, mehr Flex in der Preisgestaltung.
Warum es überall teurer wird und zwar nicht nur „weil man’s nehmen kann“
- Technikexplosion: E-Antrieb (Hochvolt-Freigaben), Fahrerassistenz/ADAS-Kalibrierung, komplexe Onboard-Netze, jede Diagnose braucht mehr Know-how und Geräte.
- Software & Datenzugang: OEM-Portale, Lizenzmodelle, SRS/EV-Safety-Prozesse, ohne Abo kein Zugang zum Fahrzeug.
- Teilepreise: Originalteile und Lackmaterialien verteuern den Warenkorb weiter.
- Arbeitsmarkt: Fachkräfte rar, Löhne steigen und damit zwingend auch die Verrechnungssätze.
- Energie/Mieten: Die Werkstatt ist kein Wohnzimmer. Wärme, Druckluft, Absaugung, Lackkabine, alles zieht Strom/Gas.
- Haftung & Qualitätssicherung: Wer Airbags, Hochvolt, Bremsen oder Kameras anfasst, arbeitet unter maximaler Verantwortung und dokumentiert das.
Deutschland als Fallbeispiel, der Dominoeffekt
Deutschland sitzt in der Preiswolke zwischen Skandinavien/Schweiz (teurer) und Südeuropa/Osteuropa (günstiger). Weil Versichererschäde deutlich teurer wurden, erhöhen die Versicherer die Prämien und drücken gleichzeitig bei Stunden- und Positionstabellen die Daumenschrauben.
Werkstätten wiederum müssen investieren! Ergebnis: Höhere Sätze, engere Kalkulation, längere Wartezeiten in Ballungsräumen und Kund:innen, die spürbar preissensibler werden.
Freie vs. OEM, was passt wofür?
- Freie Werkstatt (60–150 €; in DE oft 90–120 €)
Ideal für klassische Mechanik, Wartung, Verschleiß, auch viel moderne Diagnostik, häufig schneller, persönlicher, günstiger. - OEM/Vertragswerkstatt (120–300 €+)
Pflicht oder sinnvoll bei Garantie/Goodwill, komplexen Softwarekampagnen, markenspezifischen TSBs, ADAS-Kalibrierungen, E-Sicherheitsfällen oder wenn die Gewährleistung am seidenen Faden hängt.
Was bedeutet das für…
…Fahrer:innen?
Planbarer werden, Angebote vergleichen, Arbeitspositionen verstehen, Teilequalität (OEM/Aftermarket) bewusst wählen, und bei E-/ADAS-Jobs die Fachkompetenz vor den letzten 10 € Ersparnis stellen.
…Werkstätten?
Transparenz in Kostentreibern (Software, Geräte, Schulung) hilft, Akzeptanz zu schaffen. Gleichzeitig lohnt Prozesshygiene: Vorprüfung, Doku, Fotostrecken, saubere Kostenvoranschläge, klare Freigaben – weniger Stress, weniger Diskussion, mehr Vertrauen.
…Versicherer?
Realistische Kalkulationsmodelle für ADAS & E-Fahrzeuge, stärkere Steuerung in spezialisierte Netze, mehr Datenbasierung, sonst bleibt die Schadeninflation im roten Bereich.
Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick
- DE-Durchschnitt 2024: 202 €/Std. Mechanik/Elektrik/Karosse | Lack: 220 €/Std.
- +50 % Werkstatt-Stundensatz seit 2017 (DE) vs. +24 % Verbraucherpreise.
- Ø Kfz-Haftpflichtschaden DE 2024: ~4.250 € (+7 % YoY, +60 % seit 2017).
- Europa-Spannen (2025):
– Frei: 35–140 €, je nach Land/Region.
– OEM: 70–260 € (Luxus/High-Tech teils 260–320 €). - Lohnanteil: häufig 10–20 % des verrechneten Stundensatzes.
Mein kleines Fazit
Reparatur ist 2025 kein Schraubenschlüssel-Märchen mehr, sondern High-Tech-Dienstleistung mit Verantwortung. Die Stunde kostet, weil die Minute teurer geworden ist: für Wissen, Geräte, Daten, Sicherheit. Wer vergleicht, gewinnt, aber wer nur den Preis vergleicht, verliert womöglich an Qualität. Und ja: Auch Versicherer müssen atmen. Am Ende gilt wie immer: Gute Arbeit hat ihren Preis, schlechte Arbeit ist am Ende teurer.
Freie Werkstatt oder Vertragswerkstatt? – So wird’s im Ausland gesehen

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