Ihr kennt das. Man sitzt in der Werkstatt, der Kaffee ist halb leer und die Geduld, bei uns für unseren Projekt-Land Rover, ist am Ende, so wie bei uns gestern Abend.
Irgendwann kommt die Frage auf, die niemand stellt, die aber wirklich genial ist. Warum verschickt man eigentlich fertiges Motoröl einmal um den Globus, statt es wie ein Cola Konzentrat einfach vor Ort mit einem Grundöl zu mischen. Klingt simpel. Ist es theoretisch auch. Aber praktisch ist es ein kleiner Tanz zwischen Chemie, Präzision, Haftung, Kosten und sehr viel Verantwortung.
Ich habe mal für euch recherchiert. Und ja, erst klingt alles logisch, aber je tiefer man reingeht, desto mehr merkt man, warum diese Idee im Werkstattalltag ungefähr so realistisch ist wie eine TÜV Plakette mit rosa Glitzer. Heute also alles zum Thema: Motorenöl „selbst mischen“.
Wie Motoröl aufgebaut ist
Motoröl sieht so harmlos aus, aber im Inneren arbeitet eine ganze Chemie Mannschaft. Ein fertiges Öl besteht zu einem großen Teil aus Grundöl und zu einem kleineren Teil aus einem ziemlich raffinierten Additivpaket. Diese Additive enthalten Reinigungsstoffe, Verschleißschutz, Scherstabilität, Oxidationsschutz und viele weitere Komponenten, die ein modernes Öl überhaupt erst funktionsfähig machen. Viele dieser Stoffe liegen bereits als konzentrierte Pakete vor und müssen sehr exakt mit der richtigen Base Oil Gruppe kombiniert werden.
In Laboren funktioniert das präzise. In einer durchschnittlichen Werkstatt begeistert eher das neue elektrische Hallentor als ein Laborgerät, das mikrolitergenau arbeitet. Genau dort beginnt das Problem.
Warum das Mischen vor Ort in der Werkstatt scheitert
Wenn man ein Öl mischt, muss das Verhältnis zwischen Grundöl und Additiv so genau passen, wie die Zutaten im besten schwedischen Zimtschneckenteig. Nur, dass der Teig ausschließlich unter größten Anstrengungen euren Motor zerstören kann.
Schon ein kleiner Dosierfehler verändert Viskosität, HTHS Wert, Asche oder Phosphoranteil. Wenn das passiert, ist die Spezifikation nicht mehr gültig. Die Freigaben von Herstellern beziehen sich immer auf eine exakt definierte Rezeptur. Schon ein minimal anderer Anteil und die Freigabe geht faktisch verloren. Für Werkstätten bedeutet das ein echtes Haftungsrisiko.
Dazu kommt, dass Additive nicht einfach im Fass verrührt werden können. Viele Komponenten lösen sich nur unter bestimmten Temperaturen, bestimmten Mischzeiten und bestimmten Reihenfolgen. Ein schneller Rührstab reicht einfach nicht aus. Wenn die Mischung nicht homogen wird, setzt sich am Ende das Additivpaket ab und das Ergebnis ist ungefähr so hilfreich wie reines Grundöl im Auto.
Ohne Labor wird es gefährlich
In professionellen Blending Anlagen wird jede Charge getestet, bevor sie ausgeliefert wird. Erst wenn Viskosität, Schaumbildung, NOACK Wert und viele weitere Parameter stimmen, darf das Öl in die Abfüllung. Eine Werkstatt hätte diese Infrastruktur nicht. Fehler würden erst auffallen, wenn ein Motor Schaden nimmt. Und dann wird es teuer, weil die Werkstatt, wie schon erwähnt, haftet.
Logistik klingt erst einfacher, in Summe wird der Gesamtvorgang aber komplexer
Konzentrat klingt nach Lagerplatz sparen. In der Realität braucht man jedoch mehrere Grundöle, dazu mehrere Konzentrate, dazu Dosiertechnik, Temperatursteuerung, Kalibrierung und viel Dokumentation. Lagerkosten sinken vielleicht minimal, aber das System wird komplizierter als vorher. Und hochkonzentrierte Additive sind zudem chemisch wesentlich stärker belastend. Hautkontakt, Umweltschutz, Korrosion, all das macht die Lagerung anspruchsvoller.
Warum die Industrie es manchmal trotzdem macht
In sehr großen industriellen Anlagen lohnt sich das Mischen vor Ort tatsächlich. Dort mehrere hunderttausend Liter im Jahr verbraucht werden, kann sich eine eigene Anlage rechnen. Allerdings nur mit aufwendiger Technik, automatisierten Dosiersystemen, eigenem Labor und klar definierter Qualitätssicherung. Kleine Anlagen kosten bereits im mittleren fünfstelligen Bereich und große reichen schnell in den Millionenbereich. Erst dann entstehen echte Vorteile, weil Verpackung, Transport und Beschaffung/Verfügbarkeit optimiert werden.
Eine normale Werkstatt bewegt sich jedoch in viel kleineren Mengen. Daher lohnt sich das niemals. Zumindest Stand heute.
Kann man irgendwann doch lokal mischen
Ich sage euch ganz ehrlich. Der Gedanke ist spannend und technisch nicht völlig unmöglich. Aber solange Motoren so differenziert abgestimmt sind wie heute, bleiben die Anforderungen an die Öle so hoch, dass das Mischen vor Ort viel zu riskant ist.
Vielleicht ändern sich Dinge irgendwann grundlegend, wenn Batterietechnik und neue Antriebe dominieren. Vielleicht entstehen andere und neue Standardflüssigkeiten, die dann benötigt werden und leichter mischbar sind. Vielleicht arbeitet die Industrie eines Tages mit universellen Mischmodulen.
Doch heute leben wir noch nicht in dieser Zukunft. Heute sind Motoröle so präzise konzipiert, dass sie aus einem hochkontrollierten Prozess kommen müssen.
Fazit
Die Idee ist irgendwie clever und sympathisch. Aber die Realität schlägt zurück. Motoröl ist ein extrem präzises Produkt und braucht Labor, Kontrolle und exakte Produktionsabläufe. Daher bleibt uns das fertige Öl im Kanister noch lange erhalten. Obwohl es schick wäre, an der Werkbank einmal Grundöl einzufüllen, einmal Konzentrat zu kippen und fertig. Vielleicht kommt es in einer anderen Mobilitätsgeneration. Nur noch nicht heute.
Zusammenfassung:
Wie Motoröl aufgebaut ist
• Motoröl besteht aus Grundöl und Additiven
• Additive bestimmen Reinigung, Schutz, Stabilität und Alterung
• Fertige Additivpakete müssen exakt dosiert werden
Warum Werkstätten nicht mischen können
• Kleinste Fehler verändern Spezifikation
• Keine Laborprüfung möglich
• Homogenität ist schwierig zu erreichen
• OEM Freigaben gelten nur für exakt definierte Formeln
Wann es funktioniert
• Große Industrieanlagen nutzen professionelle Mischtechnik
• Exakte Dosierung, Temperaturführung und Laboranalyse
• Rentabel erst ab sehr hohen Abnahmemengen
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