Gumpert

Moin ihr Technikneugierigen, heute geht’s um alternative Antriebe und zwar um eine Idee, die zwar seit mindestens 2018 durch die Branche geistert, im Alltag jedoch weiterhin selten auftaucht. Im Zuge der Restauration unseres Land Rover Discovery II habe ich für euch deshalb recherchiert, ob und wie sich ein anderer Antrieb in den „Disco 2“ integrieren ließe. Auslöser war wiederum ein Austausch mit Werkstudent:innen eines großen deutschen Autoherstellers, bei dem wir nicht nur über klassische E-Konzepte, sondern eben auch über Alternativen gesprochen haben. Dabei stand ein Ansatz bewusst kontrovers im Fokus: die Methanol-Brennstoffzelle mit On-Board-Reformer, also flüssig tanken, elektrisch fahren, und das ohne Wasserstoffzapfsäule.

Realistisch betrachtet werden wir diesen Antrieb schon aus Kosten- und Integrationsgründen vorerst nicht in unseren Discovery einbauen können. Unabhängig davon lohnt sich jedoch ein nüchterner Blick auf Funktionsprinzip, Eckdaten und offene Fragen. Dieser Text versteht sich dementsprechend als Denkanstoß. Ob sich die Technik langfristig weiterentwickelt und durchsetzt, ist einerseits offen, andererseits keineswegs ausgeschlossen.


Worum es geht, in kurz

Statt komprimierten Wasserstoff zu tanken, nutzt das Fahrzeug Methanol (flüssig und bei Umgebungsdruck lagerfähig). Ein Reformer spaltet daraus Wasserstoff, die Brennstoffzelle erzeugt Strom, während eine Pufferbatterie die Antriebsleistung an die E-Motoren liefert. Folglich dauern Tankstopps nur wenige Minuten, wobei die Reichweite, je nach Auslegung, im hohen Hunderterbereich angesiedelt ist. „Grünes Methanol“ kann theoretisch aus CO₂, Wasser und erneuerbarem Strom erzeugt werden und passt als Flüssigkraftstoff grundsätzlich in bestehende Logistikketten.


Von der Idee zur Fahrpraxis – chronologisch

ab ~2018
In Fachkreisen verdichten sich Ankündigungen zu einem Methanol-Brennstoffzellen-Serienfahrzeug; gleichzeitig bleiben belastbare Roadmaps eher rar.

Ingolstadt, frühe Testphase
Ein Prototyp auf Sportwagenbasis wird vorgestellt: elektrisch angetrieben, aber mit Methanol betankt und somit bewusst abseits der gängigen Pfade.

Leistungsversprechen (Herstellerangaben)
0–100 km/h in ~2,5 s, ~300 km/h Spitze, Tanken ~3 Min., Reichweite ~800+ km (z. B. 820 km bei 120 km/h). Dabei lädt die Zelle die Batterie während der Fahrt nach.

2019
Premiere einer „First Edition“: angeblich unabhängig von Ladesäulen gedacht; 65-Liter-Tank plus Brennstoffzelle und Batterie mit hoher Systemenergie, primär als Demonstrator für Pkw/Lkw-Anwendungen.

Praxisbeispiel
Ein Smart wird als City-Testträger umgerüstet; anschließend werden tausende Kilometer ohne Auffälligkeiten berichtet.

2023
Messeauftritte (u. a. Erfurt) erzeugen Publikumsecho: flüssig tanken und elektrisch fahren, jedoch ohne H₂-Hochdruckinfrastruktur und ohne Schnellladesäule.

Heute
Technologiepartner existieren; gleichzeitig fehlen für einen Skalierungspfad bislang breite Industrieallianzen sowie eine verlässliche Förderkulisse.


Methanol-Brennstoffzell, so funktioniert’s (ohne Formeln)

  • Tank: Methanol-Wasser-Gemisch (flüssig).
  • Reformer: Erhitzt das Gemisch, setzt H₂ frei; CO₂ wird abgeführt.
  • Brennstoffzelle: Wandelt H₂ + O₂ in elektrische Energie und lädt kontinuierlich nach.
  • E-Antrieb: Die Pufferbatterie stellt Leistungsspitzen für die Motor(en) bereit.
  • Ergebnis: elektrisches Fahrgefühl, kurze Tankstopps und hohe Langstreckentauglichkeit, je nach Systemauslegung.

Mit grünem Methanol ist die Bilanz potenziell kreislauffähig; mit „grauem“ Methanol sinken CO₂- und Verbrauchswerte im Betrieb gegenüber Diesel zwar spürbar, erreichen allerdings nicht den Nullpunkt.


Beobachtete Pluspunkte / genannte Argumente

  • Flüssige Logistik: Kein 700–1000-bar-Druck und keine Kryo-Tanks; damit sind Transport, Lagerung sowie Tankstellennetz prinzipiell adaptierbar.
  • Reisedistanzen & Stopps: ~800+ km genannte Reichweiten und 3–5 Minuten Tankzeit sprechen für Langstrecken-Szenarien.
  • Betriebskonzepte: Reservekanister sind denkbar; paralleles „Tanken & AC-Laden“ erscheint möglich.
  • Packaging/Sicherheit: Wegfall von H₂-Hochdruckbehältern ermöglicht unter Umständen andere Einbaukonzepte.
  • Energieherkunfts-Option: Erzeugung von grünem Methanol in Solar-/Wind-Regionen mit anschließender Importfähigkeit.

Hürden & offene Punkte

  • Wirkungsgradkaskade: Strom → H₂ → Methanol → H₂ → Strom, jeder Schritt kostet Effizienz; daher ist direktes BEV-Laden energetisch einfacher.
  • Förder- und Branchenpfad: Politische Programme sowie OEM-Strategien fokussieren überwiegend BEV (und punktuell H₂); Budgets/Fördermittel sind entsprechend kompetitiv.
  • Verfügbarkeit/Preis von grünem Methanol: Abhängig von erneuerbarer Erzeugung und CO₂-Quellen; folglich derzeit kein Massenmarkt.
  • Regulatorik/Labeling: CO₂-Abgas am Fahrzeug (trotz Kreislaufgedanke) passt nicht immer zu „Zero-Emission-am-Auspuff“-Definitionen.
  • Systemkomplexität: Reformer + Brennstoffzelle + Batterie bedeuten zusätzliche Bauteile, Thermo-/Start-Strategien sowie Entwicklungs- und Kostenaufwand.
  • Pfadabhängigkeiten: Milliardeninvestitionen in BEV-Plattformen und Zellfertigung lassen derzeit wenig Raum für parallele Skalierung.

Genannte Eckdaten (je nach Quelle/Setup)

  • 0–100 km/h: ~2,5 s (Sportwagen-Demonstrator)
  • Vmax: ~300 km/h (Demonstrator)
  • Tanken: ~3–5 Minuten
  • Reichweite: ~800–820 km
  • Kostenbild: Für „grünes Methanol“ werden teils Diesel-ähnliche Tankkosten genannt; für Nutzfahrzeuge sind, je nach Methanoltyp, Einsparungen gegenüber Diesel angeführt.
    (Alle Angaben abhängig von Auslegung, Quelle und Randbedingungen.)

Contra: Warum die große Markteinführung (noch) schwierig wirkt

Es gibt eine Reihe von Argumenten, die gegen eine schnelle, breite Einführung der Methanol-Brennstoffzelle mit On-Board-Reformer sprechen. Technisch ist das Konzept machbar, die Hürden liegen eher in der Kette dahinter.

  • Wirkungsgradkaskade statt Steckdose
    Strom → Wasserstoff → Methanol → im Fahrzeug wieder Wasserstoff → Strom → Antrieb. Jeder Schritt frisst Effizienz. Im Vergleich dazu ist das direkte Laden einer Batterie schlichter und energetisch meist günstiger.
  • Leistungsdaten mit Sternchen
    Die bekannten 800-km-Reichweiten und die 2,5-Sekunden-Sprints stammen aus Demonstratoren mit vergleichsweise geringer Dauerleistung der Brennstoffzelle; die Pufferbatterie liefert die Spitzen. Funktional wirkt das eher wie ein Range-Extender-Setup als wie ein vollwertiger FCEV-Hauptantrieb. Ob und wie sich das in Alltagsfahrzeugen skaliert, ist offen.
  • CO₂ am Auspuff & Regulierung
    Der Reformer setzt CO₂ frei. Mit grünem Methanol kann das bilanziell kreislauffähig sein, am Fahrzeug ist es trotzdem kein „Zero-Emission“. In manche Förder- und Regelsysteme passt das nur bedingt.
  • Infrastruktur: viel Theorie, wenig Zapfsäule
    Ein flächiges Methanol-Tankstellennetz existiert nicht. Produktion, Logistik und Preis von grünem Methanol sind die Nadelöhre. Ohne günstige Quellen in Menge bleibt das System teuer und damit schwer massenfähig.
  • Systemkomplexität im Alltag
    Reformer + Brennstoffzelle + Batterie bedeuten mehr Bauteile, mehr Thermomanagement, Warm-up-Strategien und Kalibrieraufwand. Das erhöht Entwicklungs- und Wartungskosten und macht die Integration in Bestandsplattformen nicht einfacher.
  • Förderlogik & Pfadabhängigkeit
    Politik und viele OEMs haben auf BEV (und punktuell H₂) gesetzt. Budgets, Lieferketten und Fertigungen sind entsprechend ausgerichtet. Für eine Parallel-Skalierung fehlt aktuell die breite Allianz.
  • Wirtschaftlichkeit mit Fragezeichen
    Es kursieren Angaben zu Diesel-ähnlichen Tankkosten bei grünem Methanol und zu Einsparungen im Nutzfahrzeug, aber: Das hängt stark von Quelle, Menge, Energiepreis und Randbedingungen ab. Eine belastbare TCO-Story für die Breite steht noch aus.
  • Serienpfad unklar
    Technologiepartner gibt es, Pilotfahrzeuge auch. Was fehlt, sind industrielle Stückzahlen, verlässliche Lieferketten und klare Zeitachsen für Pkw- und Lkw-Programme.

Einordnung

Das alles heißt nicht, dass der Ansatz nicht funktioniert oder sich nicht weiterentwickelt. Es heißt lediglich: Die Hürden für den großen Wurf sind derzeit höher als die Schlagzeilen. Wenn günstiges, grünes Methanol in Menge kommt, wenn Regulierungen den CO₂-Kreislauf sauber abbilden und wenn sich starke Partner zusammentun, kann das Bild kippe, möglicherweise zu Recht. Bis dahin taugt die Methanol-Brennstoffzelle vor allem als Gedankenexperiment mit Praxisbezug: interessant, kontrovers, und genau deshalb lesens- und diskutierenswert.

Was heißt das für unseren Discovery 2?

Für eine klassische Restauration ist das Konzept derzeit eher Inspirations- als Umsetzungsstoff: Es zeigt eine mögliche Option zwischen BEV und H₂-Brennstoffzelle, jedoch mit Integrations-, Zulassungs- und Kostenhürden. Ein Drop-in-Umbau für den D2 ist aktuell unrealistisch. Gleichwohl liefert Methanol-FC für das Gesamtbild „Alternative Antriebe“ einen Diskussionsbeitrag, technologisch nachvollziehbar, wirtschaftlich und politisch noch ungeklärt.


Evi-Fazit

Die Methanol-Brennstoffzelle mit Reformer ist ein kontrovers diskutierter Ansatz: nachvollziehbare Logistik- und Langstreckenargumente stehen einer anspruchsvollen Wirkungsgradkette, offenen Skalierungsfragen sowie einer Förderlandschaft gegenüber, die anderes priorisiert. Ob die Technik am Ende Nische bleibt oder zusätzliche Traktion gewinnt, hängt u.a. von Kosten, Verfügbarkeit grünen Methanols, Regulierung und Industrieallianzen ab.

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