Bertha Benz

Ihr kennt die großen Namen der Autogeschichte, aber oft sind es die stillen Helden, die die Richtung ändern. Bertha Benz war keine stille Heldin. Sie war die, die anschob. Wortwörtlich.

Eine Ehe mit Zündfunken

Geboren 1849 in Pforzheim, wächst Cäcilie Bertha Ringer mit einem klaren Blick aufs Machbare auf. 1872 heiratet sie Carl Benz. Damit nicht nur einen Mann, sondern eine Idee. Als Carls früher Geschäftspartner das junge Unternehmen in die Knie zwingt, macht Bertha etwas, wofür es damals nicht mal eine Schublade gab: Sie lässt sich ihre Mitgift vorzeitig auszahlen, zahlt Schulden, kauft den Partner heraus und verschafft Carl die Freiheit, in Ruhe an seiner verrücktesten Idee weiterzuschrauben: einem „Fahrzeug mit Gasmotoren-Betrieb“.

1886 ist das Patent (DRP 37435) da, die Prototypen rollen, aber die Welt bleibt skeptisch. Die Leute staunen, ja. Kaufen? Eher nicht. Carl schwankt. Bertha nicht.

Marketing by Mama: Die erste Langstreckenfahrt

August 1888, sehr früh am Morgen. In Mannheim schwingt sich Bertha auf den Patent-Motorwagen, Modell 3. An ihrer Seite: die Söhne Eugen (15) und Richard (14). Ziel: 100 Kilometer bis zur Mutter nach Pforzheim. Ohne Carls Wissen, dafür mit Plan A bis Z.

Was folgt, ist die Mutter aller Praxistests: Wasser nachfüllen, Kühlung im Blick, Kraftstoff suchen (Ligroin gibt’s in Apotheken, die in Wiesloch gilt fortan als „erste Tankstelle der Welt“), Ketten pflegen, Zündung prüfen. Wenn’s klemmt, wird improvisiert: Hutnadel gegen die verstopfte Benzinleitung, Strumpfband als Isolation für das durchgescheuerte Zündkabel. Probleme mit der Kette? In Bruchsal richtet der Schmied sie. Später, auf der Rückfahrt, schlägt in Bauschlott der Schuster frisches Leder auf die Bremsklötze. Werkstattnetz 1888: ad hoc und herzhaft.

Die Strecke selbst ist ein Roman: Hochräder kippen vor Schreck in den Graben, Bauern weichen wie vor einem „Teufelskarren“ zurück, zwei Buben helfen beim „Sieh-dich-vür“-Anstieg, weil der Einzylinder am Berg Luft holt. Am Abend rollt der Wagen vor dem Hotel „Zur Post“ in Pforzheim aus und ein Telegramm nach Mannheim meldet trocken: „Fernfahrt gelungen.“

Diese Erzählung der Fahrt stützt sich inhaltlich auf:
Winfried A. Seidel: Carl Benz – Eine Badische Geschichte. Die Vision vom „Pferdelosen Wagen“ verändert die Welt (Edition Diesbach, 2005, ISBN 3-936468-29-X).

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Warum das mehr war als ein Ausflug

Berthas Coup war kein Familienabenteuer, sondern Pionier-PR: Sie bewies Alltagstauglichkeit auf offener Straße, vor aller Augen. Nach dieser Tour sprach halb Baden vom Motorwagen, und Kritiker mussten einräumen: Das Ding hält. Genau das fehlte dem Erfinder, soziale Bewährung, nicht nur technische Brillanz.

Und noch etwas passierte: Eine Frau setzte sich ans Steuer der Zukunft. 1888, lange bevor Frauen an Universitäten studieren durften (in Baden ab 1900), lange vor dem Frauenwahlrecht (Finnland 1906, Deutschland 1918). Bertha war keine Symbolfigur, sie war Teamlead auf Achse: Sie fuhr, ließ fahren (die Söhne übernahmen Etappen und organisierten Probefahrten in Pforzheim) und koordinierte Reparaturen.

Danach? Vorne bleiben.

Ohne Berthas stures Vertrauen hätte Carl Benz womöglich aufgegeben. Mit ihr blieb er dran, verbesserte, baute aus. Das Unternehmen Benz & Cie. wurde Leitstern seiner Zeit; 1926 folgte die Fusion mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft zur Daimler-Benz AG. Bertha erlebte das. Sie starb 1944, zwei Tage nach ihrem 95. Geburtstag, in Ladenburg.

Carl schrieb später über die Zeit der Zweifel:

„Nur ein Mensch harrte in diesen Tagen, wo es dem Untergange entgegen ging, neben mir im Lebensschifflein aus. Das war meine Frau. Tapfer und mutig hisste sie neue Segel der Hoffnung auf.“

Ein kleines Fazit

Wenn ihr das nächste Mal an einem Stern vorbeifahrt, denkt an die Frau, die ihn auf die Straße gebracht hat. Bertha Benz war kein Appendix der Erfindung, sie war deren Zündkerze. Sie hat nicht nur gezeigt, dass ein Motorwagen fährt. Sie hat gezeigt, wofür er steht: für Mut, Methode und dieses unbelehrbare „Wir schaffen das, jetzt!“.

Und ja: Ohne Bertha wäre Benz vermutlich nie so schnell, so weit und so unumkehrbar ins Leben gerollt.

Weitere Infos:

Louis Chevrolet: Ein Leben im Hochdrehzahlbereich. Ruhm, Stolz und ein stilles Ende.

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